Das Deutsche Staatstheater Temeswar spielte vor ausverkauftem Haus die beiden Aufführungen von Sidy Thal, geschrieben von Thomas Perle und Clemens Bechtel und inszeniert von Clemens Bechtel, die im Theaterhaus Stuttgart stattfanden. Die Vorstellung ist in Zusammenarbeit mit unseren Kollegen vom Jüdischen Staatstheater in Bukarest entstanden.
Die beiden Aufführungen von Sidy Thal auf der Bühne des Stuttgarter Theaters waren mehr als Theatervorstellungen – sie stellten eine Erinnerungsbrücke zwischen Temeswar und dem deutschen Publikum dar. Die Geschichte von Sidy Thal, der jüdischen Schauspielerin aus der Temeswarer Zwischenkriegszeit, lässt Fragmente der Geschichte und der kollektiven Identität wieder aufleben und verwandelt die Aufführung in eine Meditation über die Brüchigkeit des Schicksals und die Kraft der Kunst, die Erinnerung lebendig zu halten.
Die Tatsache, dass beide Vorstellungen vor ausverkauftem Haus gespielt wurden, bestätigte nicht nur das Interesse des Stuttgarter Publikums, sondern auch die universelle Relevanz des Themas – das Überleben durch Kultur und Widerstand durch Kunst. Der Erfolg in Stuttgart wurde so zu einer bewegenden Anerkennung der Kraft, mit der das Deutsche Staatstheater aus einer zutiefst menschlichen und stets aktuellen Perspektive über die Vergangenheit, aber auch über die Gegenwart zu sprechen versteht.
Die Reise wurde durch die Zusammenarbeit mit dem Rumänischen Kulturinstitut ermöglicht. Das Projekt „Theater, Bildung, Geschichte – Sidy Thal – eine Wandervorstellung” wird durch das Cantemir-Programm, ein Finanzierungsprogramm für kulturelle Projekte im internationalen Bereich, kofinanziert. Das Rumänische Kulturinstitut ist weder für die Inhalte noch für die Nutzung der Ergebnisse des Projektes verantwortlich. Diese stehen vollständig unter der Verantwortung des Begünstigten der Finanzierung.
Am 26. November 1938 explodierten während eines Gastspiels der jüdisch-bukowinischen Sängerin Sidy Thal und ihres Ensembles am Temeswarer Theater zwei Handgranaten im Saal. Ein antisemitischer Anschlag, verübt von der rechtsextremen nationalistischen Eisernen Garde, bei dem vier Menschen starben und siebzig verletzt wurden. Ein Ereignis, kaum bekannt in der Stadt Temeswar/Timișoara, Europäische Kulturhauptstadt 2023, das Dramatiker Thomas Perle und Regisseur Clemens Bechtel mit Hilfe von Maria Mădălina Irimia vom Wilhelm-Filderman-Zentrum für das Studium der Geschichte der rumänischen Juden erforschten und daraus ein dokumentarisches Theaterstück kreierten. Was ist wahr? Was ist wirklich geschehen? Es ist ein Versuch der Rekonstruktion des Anschlags und der damaligen Zeit, in der Antisemitismus und Faschismus zum Alltag einer multikulturellen Gesellschaft wurden und die zum Schrecken des Zweiten Weltkriegs und der Shoa führten.
Die Besetzung der Aufführung war gemischt und setzte sich aus Schauspielern des DSTT und des JSB zusammen. Zum künstlerischen Team gehörten Enikő Blénessy, Viorica Predica, Katia Pascariu, Rareş Hontzu, Mircea Dragoman, Richard Hladik, Mihai Prejban, Boris Gaza, Oana Vidoni, Daniela Török und Olga Török. In beiden Vorstellungen wurden sie von den Musikern Mihai Pintenaru (Klarinette) und Mihai Murariu (Klavier) begleitet.
Nach jeder Aufführung von Sidy Thal in Stuttgart hatte das Publikum die Möglichkeit, an einem Publikumsgespräch mit dem künstlerischen Team teilzunehmen. Die Tatsache, dass ein Großteil der Zuschauer blieb, um Fragen zu stellen, verwandelte die Veranstaltung in einen authentischen Dialog. Dieses Interesse zeigt die emotionale Wirkung des Stücks und die Relevanz der behandelten Themen, die beim deutschen Publikum großen Anklang fanden. Die Offenheit für Fragen und gemeinsame Reflexionen bestätigte, dass Sidy Thal nicht nur ein Theatererlebnis ist, sondern auch eine Gelegenheit bietet, sensible Themen wie Erinnerung, Identität und Geschichte, die in ganz Europa aktuell sind, wieder ins Rampenlicht zu rücken.
Seit der Premiere wurde das Stück für mehrere nationale und internationale Festivals ausgewählt, darunter das 34. Nationale Theaterfestival in Bukarest (2024) und das 12. Internationale Theaterfestival MITEM in Budapest (2025).
Die nächste Aufführung findet am 30. Oktober 2025 in Temeswar statt.